Bald Spekulationsobjekt?
Sorge über EU-Pläne zur Privatisierung der Wasserversorgung - Von Wibke Woyke
Genau dazu rufen neben Reinhard David auch Manfred Radtke (BUND Rotenburg) und Volker Meyer (Wasserversorgungsverband Rotenburg-Land) auf. Die Pläne der EU bereiten ihnen Kopfschmerzen. Denn: Der Binnenmarktausschuss des Europaparlaments will neue Regeln für die Vergabe von Dienstleistungen durchsetzen. Sollte der Vorstoß Gesetzeskraft erlangen, hätte das Folgen: Die öffentliche Wasserversorgung müsste in bestimmten Fällen öffentlich ausgeschrieben werden. Auch private Konzerne könnten den Zuschlag erhalten. Wasser wäre ein spekulationsobjekt – und nicht mehr Sache der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Vertreter diverser Großkonzerne reiben sich bereits die Hände und haben glänzende Augen – mit Blick auf hohe Gewinne. Die Zeche aber müsste der Bürger zahlen, denn ein Preisanstieg wäre gewiss. Was die Privatisierung umfassen würde – die gesamte Versorgung, die Netze – ist im Detail nicht klar. Trotzdem schrillen bei Radtke, David und Meyer die Alarmglocken – und in vielen Kommunen und Verbänden bundesweit ebenso. "Wasser würde bei einer Privatisierung zur Handelsware und somit zum Luxusgut“, sagt Meyer im Namen des Wasserversorgungsverbands. Und negative Beispiele gebe es bereits: In Gebieten, in denen es inzwischen zu einer Privatisierung gekommen sei, seien Preise um bis zu 400 Prozent gestiegen – keine schönen möglichen Aussichten für Verbraucher.
"Noch sind in Deutschland die Kommunen für die Wasserversorgung verantwortlich. Die Wasserwerke der Städte und Gemeinden und die kommunalen Wasserverbände liefern das Trinkwasser in hervorragender Qualität zum günstigen Preis“, sagt Meyer – und so soll es bleiben. Welche ökonomischen und ökologischen Probleme würden sich für die Wümmestadt ergeben? Private Unternehmen, so die Erklärung, würden die Wasserförderung weiter zentralisieren. Grundwasserentnahmegebiete - wie die Rotenburger Rinne - müssten sich auf noch höhere Wasserförderungen und dann gegebenenfalls Grundwasserabsenkungen einstellen. "In unserem Raum besteht zwar eine große Kapazität, eine Weiterleitung hätte aber einen Entzug von Wasser aus der Region zur Folge.“
Und: Überregional tätige, private Unternehmen würden in Konkurrenz zur örtlichen Landwirtschaft und zu örtlichen Wasserwerken Wasserentnahmerechte beantragen. "Sie gefährden damit die Eigenversorgung der Kreise“, bewertet der Vertreter des Wasserversorgungsverbands. Weitere Fernwasserleitungen könnten dann in die Umsetzung gehen. Große Wassermengen verblieben nicht mehr vor Ort, sondern würden in völlig andere Gebiete abtransportiert.
"Das gewinnorientierte Arbeiten der privaten Unternehmen führt zu erheblichen Preissteigerungen“, warnen Radtke, Meyer und David. Umwelt- und Naturschutzbelange bei der Grundwasserförderung würden - weil sie Kosten verursachen und den Gewinn schmälern - nicht ausreichend berücksichtigt. "Die derzeitige gute Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft in Sachen Grundwasserschutz würde aufgelöst und wäre damit in Gefahr“, erklärt Meyer weiter.
Und ob die Privaten Interesse haben, die Netze in gutem Zustand zu halten – was Geld kostet – wird ebenso bezweifelt. Beispiel London: Die dort privatisierte Wasserversorgung litt an zahlreichen Leckagen, weil die Sanierung des veralteten Netzes verschleppt wurde.
Auch der Dachverband des Wasserversorgungsverbandes Rotenburg-Land lehnt Liberalisierungsbestrebungen ab und fordert eine konsequente Beachtung der Daseinsvorsorge und die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, wie es im Lissabon-Vertrag verankert wurde. Die gewachsenen und bewährten Strukturen der Trinkwasserversorgung dürften "nicht in Frage gestellt“ und die demokratische Selbstverwaltung nicht gefährdet werden.
Ein Ausweg für die Stadt wäre im Falle des Falles übrigens, eine eigene Wassergesellschaft zu gründen. Doch auch dann wäre, bedingt durch weitere Organisation und neue Strukturen, der Preis nicht auf heutigem Niveau zu halten. Bei den Stadtwerken macht das Wassergeschäft übrigens gerade einmal rund drei Prozent des Umsatzes aus, wie David erklärt. Er hat ein Interesse daran, Wasser weiter bezahlbar und in bester Qualität vorzuhalten.
Von der UN ist Wasser zum Menschenrecht erklärt worden. Das aber hält die EU nicht von ihren Überlegungen ab. Nun ist es an den Bürgern, Druck auszuüben. Daher rufen Radtke, David und Meyer auf, die Unterschriftenaktion auf www.right2water.eu/de zu unterstützen. Sind eine Millionen Signaturen erreicht, müsse sich das EU-Parlament damit beschäftigen. "Wasser darf nicht den Marktmechanismen unterworfen werden“, warnt Radtke. "Denn Wasser ist das Lebensmittel Nummer eins“, so David. Wenn sich die EU-Kommission durchsetze, warnt der BUND, dürfte aus einem Allgemeingut ein spekulationsobjekt werden, mit dem sich Milliarden verdienen ließen. "Das wäre ein Sieg großer multinationaler Konzerne, die für diese Privatisierung jahrelang gekämpft haben.“
Infos gibt es auch auf http://rotenburg.bund.net und www.wvvrow.de.
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