"Vieles wird zu naiv gesehen"
Wie sinnvoll ist Sued-Link? Stadtwerke-Chef im Gespräch
Vor kurzem war David beim Waffensener Naturschutzbund (Wanabu) zu Gast und hielt einen ausführlichen Vortrag zum Status quo der Energiewende. Deren Ziele: Reduzierung der klimagasrelevanten Emissionen (insbesondere CO2), Ausbau der erneuerbaren Energieträger (vor allem ‚Mond und Solar) sowie mehr Unabhängigkeit von Energieimporten. Probleme, die David sieht: hohe Kosten (siehe Strompreisentwicklung), unstetiges zufälliges Energieangebot von Wind- und Sonnenenergie sowie das Leiden der Netzstabilität durch mehr Wind- und Solareinspeisung.
Interessant Ist dabei ein Blick auf die aktuelle Verteilung der Stromerzeugung auf die einzelnen Energieträger in Deutschland (Bilanz von 2013): Braunkohle liegt mit 25,6 vor Steinkohle mit 19,6 und Kernenergie mit 15,4 Prozent. Auf Windenergie entfallen 8,4 Prozent - und bei der regionalen Verteilung der Installierten Windleistung liegt Niedersachsen an erster Stelle mit 7.483 Megawatt. Doch Schleswig-Holstein - 2013 noch an vierter Stelle des nationalen Rankings - will mächtig zulegen: Bis 2020 soll die installierte Leistung von rund 3600 auf 9.000 Megawatt steigen.
Winderzeugung im Norden — also den Strom ganz einfach nur der Trasse nach Süden transportieren. Das, so David, sei die viel zu einfach gedachte Lösung der Politik. Der Stadtwerke-Geschäftsführer sieht das Unterfangen kritisch. Für ihn wäre es sinnvoller, den Strom verstärkt dort zu erzeugen, wo es gebraucht werde. Damit würden 800 Kilometer lange Mega-Unterfangen wie Sued-Link überflüssig. Die Stadtwerke machen‘s vor „Wir haben in Rotenburg aktuell 14 Blockbeizkraftwerke, zwei weitere sind im Bau“, berichtet David. Dadurch sei es den Stadtwerken Rotenburg schon jetzt möglich, vor Ort 25 Prozent des benötigten Stroms selbst zu erzeugen. Jenen Weg wollen die Stadtwerke auch weiterhin gehen.
Ein Diagramm zur Stromeinspeisung verschiedener Anlagen in Rotenburg zeigt, wie wechselhaft die Leistung aus Solar und Photovoltaik zurzeit Ist. Dagegen ist die der BHKW vor Ort konstant - ein Pluspunkt, wie David betont. Er empfiehlt den Ausbau der BHKW. Wieso wird andernorts dann nicht verstärkt auf jene gesetzt, statt dessen aber auf große Trassen? „Vielleicht haben die Blockheizkraftwerke nicht so ein Lobby“, vermutet David auch mit Blick auf die geringe Förderung. Was neue Projekte im Bereich Wind und Solar angeht, empfiehlt David, einen Gang runterzuschalten. Neue Anlagen sollten nur dort entstehen, wo sie sinnvoll seien - wo sie also das Netz von der Kapazität her aufnehmen könne. Ein Problem sei die fehlende Konstanz bei Energie aus Wind und Strom. Wichtig sei es, so David, dass intensiver in die Erforschung und Entwicklung von effizienten Speichermedien eingestiegen werde. Schließich müssten Erzeugung und Bedarf der Verbraucher immer im Gleichgewicht sein, damit die Stromversorgung funktioniere. Und für die gesicherte Leistung müsse auch in Zukunft eine Lösung her.
Wie aber die Lasttäler und Lücken füllen? Eine Idee, die immer wieder vorgebracht wird: Elektroautos sollen während der Parkdauer Strom ein- und ausspeichern. „Um mit Speichertechnik eine gesicherte Leistung von 4.100 Megawatt zu erreichen (und jene entsprechen nur rund fünf Prozent des deutschen Leistungsbedarfes), würden 22 Millionen Elektro-Pkw beispielsweise des BMWi3 her, die dann stehen müssten und nicht gefahren werden“. rechnet David vor. Also keine echte Lösung. Und was ist mit den - sowieso nicht unkritisch gesehenen — Pumpspeicherwerken? „Davon bräuchte man dann 437“, so David. Zurzeit gebe es gerade einmal 36 in Deutschland. Auch jene Zahl zeige, dass die Erforschung neuer Speichermethoden unerlässlich sei.
Neben dem gezielten Ausbau von Wind- und Solaranlagen (da, wo das Netz sie aufnehmen könne) sei der Ausbau gesicherter Leistung notwendig. Dezentrale BHKW reduzierten den Leitungsbau — wie eben Sued-Link - und nutzen die Primärenergie optimal aus, sagt David. Eine Zukunftsoption sei der Betrieb der BHKW mit erneuerbaren Energieträgern (Biomethan oder synthetisches Erdgas). Zudem müsste der Ausbau von Gaskraftwerken für eine gesicherte Kraftwerksleistung her (sogenannte Backup-Kraftwerke).
Der geplante Trassenverlauf von Sued-Link gebe zu denken. Abstande zu Wohngebieten lagen teils bei 400, bei einzelnen Gebäuden sogar nur bei 200 Metern David ist überzeugt, dass der angestrebte Netzausbau überdimensioniert ist - zumal durch Sued-Link nur einmalige Windspitzen von Nord nach Süd transportiert würden. „Energieeffizienz und Lastmanagement sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft“, erklärt er.
Gleiches gelte für Energieeinsparpotenziale, die genutzt werden müssen. „Denn Strom, der nicht verbraucht wird, muss nicht transportiert werden.“
Energiewende ja — aber eben anders, sagt David mit Blick auf die BHKW Doch wieso geht die Politik mit Sued-Link dann einen anderen Weg? „Vieles wird einfach zu naiv gesehen“, bedauert David.
In Waffensen rührt sich übrigens Widerstand gegen die Großtrasse, eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, die am heutigen Sonntag auch beim Hoffest am Mehrgenerationenhaus zu Gast sein will.
Rotenburger Rundschau vom 13.04.2014