Visionen für die Welt von morgen
„Es ist schon lange das gemeinsame Ziel unserer Gesellschaft, den Energieeinsatz so effizient und klimafreundlich wie möglich zu gestalten“, betonte Bürgermeister Detlef Eichinger gleich zu Beginn der von Radio Bremen-Moderator Martin Busch geleiteten Veranstaltung im Heimathaus Rotenburg. Und Ralph Bergen, Gesellschafter der der HTI Cordes & Graefe KG, fügte hinzu: „Wir benötigen eine bezahlbare und verlässliche Energieversorgung, die die Lebensgrundlage der nachfolgenden Generationen erhält und nicht zerstört. Grünes Wachstum im großen Stil kann das Fundament für eine wirtschaftlich gesunde Zukunft legen. Die effiziente Nutzung von Energie ist daher eine zentrale Aufgabe zur Umsetzung der Energiewende.“
In die gleiche Richtung argumentierte auch Reinhard David, Geschäftsführer der Stadtwerke Rotenburg. Das Ziel müsse eine sichere, umweltfreundliche und preiswerte Energieversorgung sein, immer vor dem Hintergrund einer Reduzierung der CO2-Emmissionen. Eine Aufgabe, der sich die Stadtwerke übrigens nicht erst seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima vom 11. März 2011 gestellt haben. Bereits 1985 haben die Stadtwerke das erste Blockheizkraftwerk im Ronolulu eingesetzt und im Jahr 2000 durch eine moderne Anlage ersetzt. Derzeit betreiben die Stadtwerke zehn Blockheizkraftwerke, darunter auch die Anlagen in der Kläranlage, im Neubau des Dialysezentrums in der Burgstraße sowie als Heizzentrale im Neubaugebiet „Knickchaussee“. Der Vorteil der Blockheizkraftwerke liegt in den hohen Wirkungsgraden und der Möglichkeit, die bei der Stromerzeugung entstehende Wärme zum Heizen zu nutzen.
Und auch bei der Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen gehen die Stadtwerke voran, erläuterte David. Ob auf dem Dach der Adolf-Rinck-Sporthalle oder dem Bahnhofsgebäude: Insgesamt neun Anlagen sind in Betrieb, die erste am Mittelweg 19 bereits seit fast 17 Jahren. 4,5 Millionen Euro seien allein in den vergangenen vier Jahren in den beiden genannten Bereichen investiert worden. Doch damit nicht genug: Am Ronolulu gibt es eine für jedermann zugängliche kostenlose Tankstelle für E-Autos und die Fahrzeugflotte wird durchweg mit Bioerdgas betankt. Mit den Ökostromtarifen SR Natur und SR Natur-plus können die Kunden zudem den Ausbau von Anlagen für erneuerbare Energien in und um Rotenburg unterstützen.
„Die Energiewende gibt es nicht zum Null-Tarif“, sagte David und forderte von der Bundespolitik: „Wir brauchen Verlässlichkeit für unsere Planungen und Investitionen. Es herrscht starke Verunsicherung.“ Außerdem sprach er sich klar für eine Dezentralisierung der Energieversorgung aus, damit die Verbraucher nicht von den vier marktbeherrschenden Anbietern abhängig seien. Anhand eines anschaulichen Beispiels verdeutlichte David zudem, dass die regionale Wertschöpfung durch regionale Energieerzeuger enorm gesteigert wird. Oder kurz gesagt: Das Geld bleibt in der Region.
Zuvor hatte Dipl. Ing. Volker Meyer, Geschäftsführer des Wasserversorgungsverbands Rotenburg-Land, zum Thema „Grundwasserschutz in der Region“ referiert. Nachdem er die Aufgaben des Verbands skizziert sowie einen Überblick über die zwei Wasserschutzgebiete (Rotenburg Nord und Süd) gegeben hatte, widmete er sich dem Reizthema Nummer eins im Landkreis: dem Fracking. So seien in Sottrum bereits 500.000 Kubikmeter Lagerstättenwasser verpresst worden, „und keiner weiß, wo das hingeht.“ Die Gefahren seien zu groß, als das man einfach so weiter machen könne wie bisher. „Wir haben sehr gutes Wasser unter uns, und das soll auch so bleiben“, erteilte er der Erdgasförderung in Wasserschutzgebieten und Trinkwassergewinnungsgebieten eine klare Absage. Die gab es übrigens auch für die von der Europäischen Union geplante Privatisierung der Wasserversorgung.
Ebenfalls zum Thema Fracking referierte Dr. Hans-Joachim Uth, ehemaliger Mitarbeiter beim Bundesumweltamt. Er präsentierte eine wissenschaftliche Risikobewertung zum Thema. Er stellte mögliche Ober- und Unterirdische Gefahrenquellen dar, beispielsweise Brand, Explosionen oder die Freisetzung giftiger Stoffe. Zudem erläuterte er den Gästen, dass es durchaus möglich sei, dass sich die Frack-Flüssigkeit durch sogenannte Störungen viel weiter und schneller verbreite, als angenommen. Aus diesem Grund sei es durchaus sinnvoll, nicht in den Trinkwasserschutzzonen I bis III zu bohren und zu fracken.
Ebenfalls auf der Tagesordnung standen die finanziellen Fördermöglichkeiten im Bereich der erneuerbaren Energien durch die KfW Bankengruppe, präsentiert von Inga Schauer, ein Vortrag von Roman Tepperwien von der Firma Neolumic über LED-Technik und moderne Hallenbeleuchtung, ein Referat über Blockheizkraftwerke von Gerhard Kopiske vom Utec Ingenieurbüro sowie das Thema „Wärme aus Abwasser, Boden, stehenden und leicht fließenden Gewässern“ von Bernhard Läufle von der Firma Frank.
Der Nahost-Experte, Journalist und Autor Ulrich Kienzle beleuchtete die Situation in der arabischen Welt, von deren Erdöl-Reserven Europa abhängig ist. Von 350 Millionen Arabern seien mehr als 50 Prozent unter 26 Jahre, „und die haben keine Perspektive und keine Zukunft“, stellte Kienzle in seinem Vortrag „Abschied aus 1001 Nacht – mein Versuch die arabische Welt zu verstehen“ fest. Es sei naiv zu glauben, dass Revolutionen gleichbedeutend mit Freiheit und Demokratie seien. Vielmehr müsse sich der Westen darauf einstellen, dass Islamisten aus den vielschichtigen Entwicklungen hervorgingen. „Im Moment herrscht das Chaos“, so Kienzle. Deshalb sei es sehr schwierig, eine erste Bilanz zu ziehen.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Expertenrunde mit Volker Meyer, Detlef Eichinger, Reinhard David, Ralph Bergen und Ulrich Kienzle, die über das Thema „Die Energien von morgen verstehen“ diskutierten. Hauptthema war dabei das Auto und der Benzinverbrauch. Kienzle plädierte leidenschaftlich für das Elektroauto und forderte ein intelligentes Batterie-Wechsel-System, um die Mobilität zu erhöhen. Bergen forderte auf zu mehr Lust auf Zukunft und wünschte sich eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe, die bereits vor Fukushima begonnen hatte. Zudem verwies er darauf, dass die kleinen und mittleren Stadtwerke die Gewinner der Energiewende seien. Und Reinhard David forderte die Politiker in Berlin noch einmal eindringlich auf, für Verlässlichkeit zu sorgen, um die Energiewende nicht unnötig zu verschleppen.