"Wir haben dabei kein gutes Gefühl“
Wasserversorgungsverband und Stadtwerke zum Thema Fracking
Zu Gast war Volker Meyer, Geschäftsführer des Wasserversorgungsverbands Rotenburg-Land. Der versorgt über zwei Wasserwerke rund 55.000 Einwohner direkt und weitere 25.000 indirekt mit Trinkwasser. Geschützt wird das Grundwasser durch zwei Wasserschutzgebiete, in denen das feuchte Nass über 14 Brunnen aus der Rotenburger Rinne entnommen wird. "Ein unterirdisches Juwel“, betont Meyer. Doch durchs Fracking gerate das in Gefahr. Umweltbeeinträchtigungen während der Vorbereitungs- und Bohrungsphase, während des Einbringens der wässrigen Flüssigkeit sowie während des Betriebs könnten auch bei Einhaltung hoher Sicherheitsstandards nicht ausgeschlossen werden.
Der Wasserverbandstag (WVT) fordert: Die Gesetze müssen dahingehend geändert werden, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor den Bohrungen obligatorisch sei. Zudem sei eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich. Wasserschutz- und Trinkwassergewinnungsgebiete müssten für die Erkundung und Förderung von Schiefer-, Shale- und Tightgas ausgeschlossen werden. Dabei sollte aufgrund der Horizontalbohrung im Untergrund ein zusätzlicher Sicherheitsabstand berücksichtigt werden. "Die Wasserversorgungsunternehmen müssen zwingend am Verfahren beteiligt werden“, forderte Meyer außerdem. Und auch den Umgang mit Folgeschäden gelte es, klarzustellen.
Insgesamt fordert der WVT, bei der Nutzung des Untergrunds der Trinkwassergewinnung den Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einzuräumen, "weil der damit verbundene Grundwasser- und Ressourcenschutz für den Menschen von elementarer Bedeutung ist“. Wasser ist Lebensgrundlage. Wirtschaftliche Interessen dürften nicht dem Wohl der Allgemeinheit vorangestellt werden. Meyer: "Wir fordern: keine Bohrungen und kein Fracking in und auch nicht in der Nähe von Wasserschutzgebieten!“
Ebenso kritisch äußerte sich Reinhard David, Geschäftsführer der Rotenburger Stadtwerke. Er ist zwar überzeugt, dass Gas bei der Energieversorgung eine wichtige Rolle spiele und auch die Brückenenergie sei, die beim Umstieg und Weg zu den Erneuerbaren Energien helfe. Und als er einst von den großen Erdgasvorkommen in der Region hörte, sei er fast ein bisschen stolz gewesen, dass es vor Ort solche gebe. "Das fand ich nicht schlecht“, erinnert er sich. Doch dann sah er einen Bericht über das Fracking in Amerika – da kamen Zweifel an dem Verfahren auf. "Man lernt nie aus. Heute bin ich schlauer“, so David, dem seine Bauchschmerzen zum Thema anzumerken sind. Zu den Zahlen: Die Stadtwerke versorgen das Rotenburger Stadtgebiet mit Trinkwasser, insgesamt knapp 20.000 Einwohner. Die Trinkwassergewinnung erfolgt aus einem Nebenarm der Rotenburger Rinne. "Unser Rotenburger Trinkwasser ist von sehr guter Qualität. Es ist sogar für die Herstellung von Babynahrung geeignet.“ Das solle, das müsse auch so bleiben. Und dafür treiben die Stadtwerke erheblichen Aufwand, beispielsweise durch strenge, umfassende Kontrollen sowie präventiven Gewässerschutz. Beim Trinkwasser sei 100-prozentige Sicherheit erforderlich.
Doch nun drohe Gefahr. "Die RWE beabsichtigt in unserem Trinkwassergewinnungsgebiet bei der Förderstelle Hemsbünde Z4 zu fracken. In dieses Verfahren sind wir bisher nicht eingebunden. Nur weil wir beharrlich auf Informationen bestanden haben, hat so etwas - ich formuliere das mal etwas diplomatisch - wie ein Dialog mit der RWE und dem Landesbergamt begonnen. Und ich muss ehrlich sagen: Das was uns dabei bislang vorgestellt wurde, hat uns nicht überzeugt. Wir haben dabei kein gutes Gefühl“, sagt David klipp und klar. Und besser werde das Gefühl auch nicht durch jüngste Vorkommnisse in Völkersen, "wo mit Benzol verseuchtes Lagerstättenwasser ausgetreten ist“. Gleiches habe man vor knapp einem Jahr in Söhlingen beobachten können. "Ich möchte mir so etwas oder ähnliches in unserem Trinkwassergewinnungsgebiet noch nicht einmal vorstellen“, warnt der Stadtwerke-Chef. Er verweist auf Empfehlungen namhafter Institutionen und Experten, die sich bereits intensiv mit der Thematik beschäftigt haben: der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der Wasserverbandstag, das Umweltbundesamt und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Alle forderten klar: kein Fracking in Trinkwassergebieten. "Dem schließen wir uns ohne jede Einschränkung an.“
David fügte hinzu, dass er sich mehr Transparenz und Offenheit im Genehmigungsverfahren wünsche und dass die betroffenen Kommunen, die kommunalen Einrichtungen und auch Versorgungsbetriebe in das Verfahren voll und ganz mit eingebunden werden. Dies gelte im Übrigen ebenso für die Verbringung des Lagerstättenwassers. "Sofern dies unter Tage entsorgt wird, müssen auch in diesem Punkt alle Karten auf den Tisch gelegt werden.“
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